Grönland
1.Kapitel

Als teilte sich das Meer

Und zeigt ein weiteres Meer

Und das ein weiteres – und die drei

Nur eine Ahnung wär’n

Von Meeren Zeit um Zeit

Besucht von keinem Strand –

Ein jedes Rand von künftigem Meer

Sie alle – Ewigkeit

                Übersetzung Lola Gruenthal

Emily Dickinson, Guten Morgen Mitternacht, Diogenes Verlag 1997

 

In Grönland hat sich das Meer geteilt und mir ein weiteres Meer gezeigt. Und den Rand der Ewigkeit, weil alle Meere dort zusammenfließen, im Eis.

Meine Sehnsucht nach dem Meer ist so alt wie ich. Das Mittelmeer war Heimat, für eine Zeit. Die Felsen, die Inseln, der Strand. 

In das tropische Meer des Indopazifik bin ich eingetaucht. Ein gefährlicher Zauber, der Mensch gehört nicht in die Unterwasserwelt, auch wenn auf den ersten Blick alles bunt und harmlos erscheint.

Dann kam die Liebe zur kleinen, vermeintlich braven Ostsee – die blau oder türkis sein kann, und manchmal wild. Der Norden und die Eisberge haben mich schon lange fasziniert. Vor dreißig Jahren in Finnland wurde das Gehen auf dem Eis zu einer Passion. Jetzt habe ich den Norden wieder entdeckt.

Das Meer um Grönland ist anders

Schwefelgelb und salbeigrün im Fjord, später kobaltblau und klar, die Wiege der Eisberge. Hier ist die Umgebung auch über der Wasseroberfläche ein schwieriger Lebensraum. Und doch haben Kultur und Lebenskunst der Inuit hier eine eigene Welt geschaffen, in der Mensch und Tier umgeben von Eis gemeinsam existieren können. Diese Welt ist gefährdet, durch den Klimawandel, zu dem die Inuit am wenigsten beigetragen haben. Ebenso gefährdet wie die tropischen Riffe, und das leergefischte Mittelmeer. 

Die Reise begann in Kangerlussuaq, am langen Fjord. Die ersten Schritte aus dem Flugzeug zum Bus lassen die Sinne aufmerken: die Luft ist kühl und glatt, die Wege heller fester Schlamm. Rote Felsen, uraltes Gestein, ein hoher Himmel. 

Der betagte Bus trägt innen deutsche Bezeichnungen: Heizung, Kühlung. Und eine Autobahnvignette von 1996. An den Steigungen keucht er mühsam, der Fahrer rührt mit dem langen Schaltknüppel geduldig im Getriebe. Der Motor seufzt, ergibt sich dem Schicksal und bringt uns über den Hügel. Der Fjord wird sichtbar, und das Schiff. 

Eine Kreuzfahrt? Diese Art zu reisen hatte ich nie auf dem Schirm, ich setze mich doch nicht in eine schwimmende Shoppingmall mit Wasserrutsche. Aber zu den Eisbergen kommt man nicht gut auf dem Landweg. Also sind wir auf diesem Schiff, das Komfort und Sicherheit verbindet und hinauffahren soll bis hinter den Ort Thule. Der Name verweist auf den antiken geografischen Mythos des äußersten Nordens, das Ende der Welt. 

Thule ist überliefert in Sagen und Märchen, Goethes Ballade vom König in Thule hat den Namen unsterblich gemacht. Im frühen 20.Jahrhundert nannten dänische Polarforscher eine neu gegründete Siedlung im Norden Grönlands Thule, und der Name hält sich bis heute. Auch wenn die ‚Thule Air Base‘ seit 2023 offiziell ‚Pittufik Space Base‘ heißt. Zunehmend werden grönländische Namen verwendet, ein Zeichen des Respekts für Kultur und Sprache der Inuit.

Wir sind noch weiter gefahren, bis nach Siorapaluk, der nördlichsten Siedlung Grönlands. Die Bewohner sind mit den kanadischen Inuit verwandt, sie kamen im 19.Jahrhundert aus dem Westen über das Meer. Heute wohnen dort 41 Menschen, die unser Schiff besichtigten während wir in ihrem Dorf und am Strand waren, einige sogar zum Schwimmen im 4,4 Grad Celsius kalten Wasser. 

Auf dem Weg zurück nach Süden sahen wir die schönsten Eisberge in der Disko Bay, fuhren durch das Meereis und schließlich wieder in den salbeigrünen Fjord von Kangerlussuaq. Auf der Plattform Flickr zeige ich Euch die besten Fotos und Videos.

In den nächsten Wochen will ich hier im Blog die Geschichte der Grönlandfahrt erzählen. Von einer wirklichen Reise kommt man verändert zurück. So ging es mir, es hat lange gedauert bis der Alltag in Stralsund mich wiederhatte.   

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